Reichenhaller Heinz Schober-Hunklinger, neuer 1. FSBD-Vorsitzender, im Interview
„Wie groß ist die Gefahr fürs Bairische, verdrängt zu werden?“
„Wir werden niemandem vorschreiben, wie er zu reden hat“, sagt Heinz Schober-Hunklinger, 1. Vorsitzender des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte, des größten Sprachvereins Bayerns. Zu viel “Tschüss”, zu wenig “Pfiat Di”? Im Verein tut man, was man kann. In jedem Fall sei nun die Politik gefragt, sagt der Reichenhaller.
„Ein echter Bayer spitzt seine Lippen nur zum Trinken und zum Bussln. „Tschüss“ würde er nicht sagen. Was ist an der Aussage Ihres Vorgängers Siegfried Bradl dran?“
„Na ja, es ist so: „Tschüss“ heißt bei uns „Pfiad Di“. Es bedeutet also praktisch das Gleiche. „Pfiat Di God“ kann man mit „Behüte Dich Gott“ ins heutige Standarddeutsch übersetzen. Das Gleiche kann man mit „Tschüss“ sagen, das vom spanischen „Adios“ kommt und wohl über die ehemaligen spanischen Niederlande und über „Atschüss“ in den deutschen Sprachraum eingewandert ist. Das geschriebene „Ü“ sprechen wir in der Mundart eher nicht aus als „Ü“, sondern fast immer als anderen Vokal: „ia“ bei „siass“ (süß) und „Dia“ (Türe). Ähnlich ist es mit „ea“ bei „grea“ (grün) oder „ua“ bei „Ruam“ (Rübe).
„Getschüsst“wird mittlerweile oft. Zu häufig für Sie?“
„Wir sind ein weltoffener Verein und wir werden niemandem vorschreiben, wie er zu reden hat. Aber freilich passt „Pfiad Di“, „Servus“ oder „Habe d’Ehre“ besser in unsere Gegend.“
„Ist die bairische Mundart in Gefahr?“
„Bairisch wird von der Unesco seit 2009 als gefährdet und somit schützenswert eingestuft. Am meisten wird es von der Standardsprache beeinflusst. Das haben übrigens Sprachwissenschaftler der Universität München im vergangenen Jahr herausgefunden. Es spielt dabei sicherlich auch die Dominanz der norddeutschen Aussprechweise der Schriftsprache eine starke Rolle, vor allem in den meisten Medien.“
„Sie stammen aus Bad Reichenhall und sind Oktober letzten Jahres 1. Vorsitzender des FBSD, des größten Sprachvereins in Bayern. Sie vertreten eine Menge bairisch sprechender Leute. Wissen Sie, wie viele Menschen Bairisch sprechen?“
Bad Reichenhall liegt im Zentrum des Bairischen. Es gibt drei große Dialekträume. Der Mittelbairische ist dabei der Markanteste und erstreckt sich von Augsburg bis an die österreichisch-ungarische Grenze. Das wichtigste Kennzeichen der mittelbairischen Dialekte ist dabei die so genannte L-Vokalisierung. Das bedeutet: Wo wir „i“ schreiben, sprechen wir es als Vokal aus, wie etwa beim Wort Holz. Das wird als Hoiz ausgesprochen, Schule als Schui oder kalt als koit. Bei den anderen beiden, dem Nord- und Südbairischen, wird das „L“ gesprochen, wie geschrieben. Die südbairischen Dialekte findet man vor allem in Kärnten, in Tirol und in der südöstlichen Steiermark, die nordbairischen Sprachvarietäten vor allem in der Oberpfalz und den angrenzenden Gebieten von Oberbayern, Mittel- und Oberfranken.
„Der bairische Sprachraum erstreckt sich über rund 150.000 Quadratkilometer. In dem Gebiet leben etwa 15 Millionen Menschen. Es ist sicher kein Geheimnis mehr, dass in den Städten die Dialekte stark rückläufig sind. Im Berchtesgadener Land und in Traunstein wurde 2019 von der Universität Salzburg eine Dialekterhebung in verschiedenen Schulen durchgeführt. Diese hat gezeigt, dass das Bairisch auch im breiten Land, bei Kindern und Jugendlichen, massiv gefährdet ist.“
„In den Schulen sprechen von Jahr zu Jahr weniger Kinder bairisch. Die Schulen sind in der Pflicht, sagen Sie. Sie nehmen die Bildungseinrichtungen an die Hand und bieten Handreichungen für Lehrer, veranstalten zudem Projekte. Ist der Erfolg messbar?“
„Ja, teilweise. Bei unserem gemeinsamen, grenzüberschreitenden Projekt mit der Universität Salzburg – „Mitn Redn kemman d’Leit zsomm“ – sieht man zum Beispiel, dass durch die Verwendung der entwickelten Lehrmaterialien vorher bestehende Vorurteile massiv abgebaut und dadurch die Diskriminierung von Dialektsprechern, wie übrigens auch von Nichtdialektsprechern, vermieden werden kann. Das heißt, es wurde hier von unserem Projektpartner, gemeinsam mit uns, Materialien entwickelt, die die regionale Sprachfärbung fördern und gleichzeitig bei der Integration helfen. Insgesamt würden wir uns aber wünschen, dass noch mehr in den Lehrerfortbildungen für die Dialekte und unser bairisches Standarddeutsch getan wird.“
„Der Dialekt als ein Lebensgefühl: Wie sehen Sie das?“
„Ich denke schon, dass da was dran ist. Es geht um unsere Identität und somit auch um unsere Glaubwürdigkeit. Es geht aber auch darum, dass man im Dialekt viele Dinge leichter und schneller und genauer beschreiben kann. „Leben und leben lassen“ sowie „Geben und nehmen“ ist typisch bairisch. Wenn wir immer weniger bairisch reden, dann wird das Denken und Handeln auch immer weniger bairisch werden. So zu reden und so verstanden zu werden, wie einem der Schnabel gewachsen ist, ist ein hohes Gut.“
„Für den bairischen Dialekt gibt es zwar Regeln. Wieso ist dieser aber noch nicht verschriftlicht worden?“
„Im Bairischen gibt es klare grammatische und lautliche Regeln. Eine einheitliche Rechtschreibung der bairischen Sprache gibt es allerdings nicht. Es ist in den sozialen Medien sogar ein Vorteil, weil man schreiben kann, wie man will. Sehr wohl gibt es ein bairisch geprägtes Standarddeutsch, das den bairischen Wortschatz widerspiegelt, das leider aber immer weniger Verwendung findet. So hört und liest man immer öfter Junge statt Bub oder die Eins statt der Einser oder Ziege statt Geiß.
„Ihr Verein hat vor einigen Jahren einen Sprachführer für Wirtsleute herausgebracht. Schmeckt „das „Wammerl“ den Bayern besser als „der Schweinebauch“? und „War der Sprachführer von Erfolg gekrönt?“
„Den Erfolg zu messen, ist schwierig , aber vom Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband wurden wir dafür gelobt. Wenn ich in ein bairisches Wirtshaus gehe, passt das eben besser. Das findet auch der Gast attraktiver, der bei uns Urlaub verbringt. Übrigens ist Bairisch, auch in Umfragen, mit Abstand weiterhin der beliebteste Dialekt. Es ist dann eher kontraproduktiv, leckere Frikadellen als „echt bairisch“ zu bezeichnen und diese mit weiß-blauen Rauten auszuschmücken, wie es mir auch schon untergekommen ist. In einem italienischen Restaurant möchte ich ja auch eine passende Speisekarte auf dem Tisch vorfinden.“
„Wie kann das Bairische auf lange Sicht überleben? Gibt es das „eine“ Erfolgsrezept?“
„Wichtig ist auf jeden Fall: Beim Bairischen handelt es sich um ein eigenes Sprachsystem, das nicht minderwertiger ist – im Gegenteil. Sprachwissenschaftlich ist es längst bestätigt, dass es ein Vorteil ist, Bairisch zu beherrschen. Im Bairischen haben wir etwa die Zwielaute „oa“, „ou“ und „ej“, genau wie im Englischen und anderen Sprachen. Es müssen darüber mehr Informationen an die Bevölkerung. Das kann nicht allein unsere Aufgabe sein. Dies ist allgemeiner Bildungsauftrag und somit auch Aufgabe der Politik und nicht zuletzt der Medien und darum danke ich auch für dieses Interview.
(von Kilian Pfeiffer, Bischofswiesen)